Erfolg: Chaos vs. Ordnung
Chaos und Genie hängen zusammen – sagen die einen. Ordnung ist das halbe Leben und fördert darüber hinaus die Karriere – sagen die anderen. Führt der Weg zum Erfolg nun über einen penibel aufgeräumten Schreibtisch oder mitten durch die Stapel aus unerledigten Vorgängen und Merkzetteln? Um es vorweg zu nehmen: Eine eindeutige Antwort auf die Diskussion Chaos vs. Ordnung gibt es nicht.
Chaoten sind besser als ihr Ruf
Um sich der Frage, was denn nun eher den Erfolg anzieht, widmen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Definition von Chaos und Ordnung. Unter Chaos ist im umgangssprachlichen Gebrauch ein völliges Durcheinander zu verstehen, dem jede Struktur fehlt. Die Ordnung wiederum ist in ein übersichtlicher, eigens hergestellter Zustand. In der Arbeitswelt sind chaotische Kollegen schnell an ihrem Schreibtisch zu erkennen. Was sich für andere als nicht nachvollziehbare Unordnung darstellt, wird von den Chaoten selbst jedoch in der Regel beherrscht. Mehr noch als dies: Wer im Büro die Unordnung pflegt, sucht im Durschnitt täglich neun Minuten lang nach verlegten Unterlagen, das haben Untersuchungen der New Yorker Columbia University ergeben. Interessant im Streit von Chaos vs. Ordnung wird es jedoch, wenn die Professoren in ihrer Studie zu dem Schluss kommen, dass ordnungsliebende Mitarbeiter üblicherweise 36 Prozent länger suchen. Was ganz einfach daran liegt, dass die Handhabung von Ordnern und Akten mehr Zeit beansprucht und dazu Irr- und Umwege beinhalten kann.
Unordnung wirkt schnell unseriös
Dennoch werden chaotische Mitarbeiter meist belächelt oder sogar verspottet. Man arbeitet weniger gern mit ihnen zusammen, weil sie nicht so transparent wie ihre ordentlichen Mitstreiter arbeiten und sie daher als nicht teamfähig gelten. Mangelnde Selbstdisziplin und eine ausgeprägte Sammelleidenschaft werden ihnen zudem gerne – nicht ganz zu Unrecht – unterstellt. Gerade bei Arbeitgebern mit Kundenverkehr haben sie zudem schlechte Karten. In einer Unternehmensberatung oder in einer Bank wirkt es nun mal nicht seriös, wenn sich Papiere und Akten auf dem Tisch türmen. Wer von seinem Gegenüber erwartet, dass er in wichtigen Entscheidungen den Überblick bewahrt und zielorientiert vorgeht, vertraut mehr der Ordnung als der Unordnung.
Wenn aus Chaos Kreativität entsteht
Wohingegen in kreativen Branchen wie beispielsweise der Werbung exakt auf die chaotischen Typen von Mitarbeitern gesetzt wird. Ihnen billigt man eher die emotionalen, intuitiven Entscheidungen zu und tatsächlich sind Chaoten auch eher Bauch- als Kopfmenschen. Dass besonders kreative Menschen oft auch chaotisch sind, hat sich in vielen wissenschaftlichen Studien bewiesen. Grob vereinfacht gesagt liegt das daran, dass es oft um Persönlichkeiten handelt, die mit Reizen anders umgehen und sich das Chaos als Inspiration zu Nutzen machen. Die beiden Faktoren Intelligenz und gutes Gedächtnis spielen dabei eine wichtige Rolle. Für Hirnforscher ist der Zusammenhang von Genialität und Chaos sowieso plausibel. Schließlich ist das menschliche Gehirn ein Paradebeispiel für das totale Chaos, in dem trotz fehlendem Zentrum und Steuerung die Hirnfunktionen geordnet ablaufen. Das gleiche gilt für Organe wie das Herz, dem ein zu regelmäßiges Schlagen eher gefährlich werden kann: Menschen, deren Herzschlag eine besondere Regelmäßigkeit aufweist, erleiden eher einen Herzinfarkt als andere.
Selbst das Chaos unterliegt der Ordnung
Jedes Chaos ist letztendlich einer Struktur unterworfen, so die Naturwissenschaftler. Selbst was uns chaotisch erscheint, ist einer Ordnung unterworfen, und unterliegt den „chaotischen Naturgesetzen“, bis hin zu den Streifen eines Zebras oder den Wirbeln, die sich beim Umrühren von Kaffee in der Tasse bilden. So betrachtet, müsste es die Diskussion Chaos vs. Ordnung gar nicht geben, Was für uns so gegensätzlich erscheint, sind eigentlich nur Extreme in beide mögliche Richtungen. Extrem chaotische Arbeitnehmer werden es auf dem Weg zum Erfolg ebenso schwer haben, wie solche, die zu ordnungsliebend sind und denen es nicht gelingt, flexibel von ihren Mustern abzuweichen und Mut zu beweisen. Und dann gibt es noch Menschen, die sich die Ordnung aufzwingen, weil sie sich schlichtweg nicht trauen ihr chaotisches Wesen zu zeigen. Schließlich wird den meisten Kindern schon in frühen Jahren nahe gelegt, Ordnung zu halten. Wer das verinnerlicht und sich sein Leben lang nicht zum eigenen Chaos bekennt, wird vermutlich niemals sein eigenes Potenzial kennen und ausschöpfen.